Nun sag, wie hast du’s mit der Religionspolitik?

Eine religiös plurale Gesellschaft wirft einige — auch öffentlich lebhaft diskutierte — Probleme auf. Es geht um Kopftücher oder kirchliches Arbeitsrecht, um Beschneidung oder die Ausbildung islamischer Theologen. Regelmäßig werden Konflikte um Religion und Weltanschauung auch vor Gericht ausgetragen. Angesichts der Vielfalt und Virulenz dieser Materie liegt es nahe, sie zusammenhängend zu behandeln und politisch zu gestalten. Die Parteien als die wesentlichen Akteure der Politik formulierten bereits über die ihnen nahestehenden Stiftungen Ansätze, „Religionspolitik“ als eigenes Politikfeld zu etablieren.

Ein Politikfeld ist ein Teilbereich der Politik, der thematisch bestimmte Aspekte fokussiert, entsprechende Wahrnehmungsstrukturen hat und auf seinen Gegenstand eingestellte, auch institutionalisierte, Akteure kennt.

Eine konturierte Religionspolitik verspricht, Gemeinsamkeiten religiöser Praktiken auszumachen und ihren Besonderheiten gerecht zu werden. Die wohlmeinenden Vorschläge zielen auf eine Stärkung religiöser Freiheit, Gleichheit und damit auch auf den Schutz von Divergenz.

Freilich: Die Etablierung eines Politikfeldes muss erkämpft werden gegen die Zuordnung der fraglichen Materien zu anderen Politikfeldern. So können Fragen der Religion auch als solche der Schulpolitik, der inneren Sicherheit oder der Kulturpolitik behandelt werden.

Aber auch Gefahren und Schwierigkeiten einer ausgeflaggten Religionspolitik sind nicht zu übersehen. Religionspolitik kann in den Sog einseitiger politischer Vorstellungen geraten: mehr oder weniger christliches Abendland oder staatliche Aufsicht, eine etatistische Schlagseite liegt nahe. Religionspolitik hat auch zu gewärtigen, dass die politische Gestaltung durch die verfassungsrechtlichen Vorgaben der Freiheit und Gleichbehandlung aller Religionen und Weltanschauungen und der sich daraus ergebenden staatlichen Neutralität begrenzt ist. Die Zuständigkeiten sind zwischen Bund und den Ländern verteilt, auch unionsrechtliche Einwirkungen sind zu beachten. (Hoch-)Schule, das Friedhofswesen, die Feiertage und die Seelsorge im Strafvollzug sind Ländersache, die Seelsorge bei der Bundeswehr aber Angelegenheit des Bundes. Dieser ist (konkurrierend) auch für das Arbeitsrecht zuständig und zusammen mit der EU für den Datenschutz. Deswegen sind Hoffnungen auf eine Religionspolitik „aus einer Hand“ illusorisch. Stattdessen sollten die Vorteile, auch experimenteller, föderaler Vielfalt gesehen werden.

von Martin Morlok, 15. August. 2021

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