Kirchenmitgliedschaft

Mitgliedschaft in der Kirche wird durch die Taufe begründet, durch die Konfirmation bestätigt und durch die Kirchensteuer bewiesen. Zur Taufe wird man regelmäßig von den Eltern angemeldet, zur Konfirmation wird man mancherorts eingeladen, andernorts muss man sich selbst anmelden, und die Steuer wird vom Staat eingezogen. Man hat einen Anspruch auf kirchliche Trauung und Beerdigung, kann den Gottesdienst besuchen und sich auf vielerlei Weise in Gemeinde und Kirche engagieren. Dabei muss man sich um das, was die Mitgliedschaft eröffnet, selbst kümmern.

Das ist bei der Staatsbürgerschaft ebenso. Wer seine Steuern zahlt und die Gesetze achtet, den lässt der Staat in Ruhe. Politische und gesellschaftliche Vereinigungen, von Parteien bis zu Trägervereinen kultureller Einrichtungen, verstehen und praktizieren Mitgliedschaft anders: als Gemeinschaft, in der beide Seiten aufeinander zugehen, einander begegnen und sich miteinander austauschen. Das Mitglied wird über Projekte und Veranstaltungen informiert, um sein Interesse und Engagement wird geworben, ihm wird gezeigt, dass es zählt. Gestern erfolgte dies über gelegentliche postalische Einladungen, Erfolgsmeldungen und Jahresrückblicke. Heute wird es besser und leichter mit den Möglichkeiten des Internet bewerkstelligt – nicht nur als Information, sondern als Kommunikation, bei der das Mitglied auf das reagieren kann, worüber es informiert wird.

Die Kirche hat die Verwandtschaft, die sie einst mit dem Staat hatte, längst verloren. Sie ist eine gesellschaftliche Vereinigung. Warum versteht und praktiziert nicht auch sie Mitgliedschaft gemeinschaftlich? Gewiss, in manchen Gemeinden findet das Mitglied gelegentlich ein Gemeindeblatt in der Post und in hohem Alter einen Gruß zum Geburtstag. Aber warum nutzt die Kirche nicht das Internet, die Mitglieder über das zu informieren, was vorgeht und ansteht, von den Gottesdiensten und gemeindlichen Veranstaltungen bis zu den Synoden und Kirchentagen? Warum nicht eine jährliche Mitteilung über die Verwendung der Kirchensteuer? Warum mit den Informationen nicht eine Einladung zu Rückmeldungen, aus denen Kirche und Gemeinde viel erfahren könnten?

Die Antwort kennt man schon. Es könne und solle sich jeder selbst informieren, und überdies sei ein solcher Informations- und Kommunikationsaufwand viel zu teuer. Aber auf die Mitglieder zuzugehen, sie zu aktiver Mitgliedschaft einzuladen, sie als Mitglieder zu halten rechnet sich – geistlich und sogar finanziell.

von Bernhard Schlink, 15. Apr. 2021

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